Schneewittchen reloaded (2007, Fr. Schmidt)

Es war einmal in einem Gymnasium, lange vor unserer Zeit …

von Marius Hoffmann, Kl. 12

 Wie so viele geniale Einfälle der Menschheit kam uns auch die Idee zu „Schneewittchen Reloaded“ – wie könnte es anders sein – an einem gemütlichen Grillabend im Hintergarten. Tags zuvor hatte Frau Schmidt dem Literaturkurs auf die Frage, welches Stück denn gespielt werde, eiskalt folgende Antwort präsentiert: „Das Stück existiert noch nicht. Ein Märchen soll es sein, und Ihr werdet es schreiben!“ Das saß!

Wie sollte ein Haufen zusammengewürfelter, postpubertierender Zwölftklässler, die größtenteils noch nie auf den Brettern, die ja bekanntlich die Welt bedeuten, gestanden haben, ein eigenes Stück kreieren und dann auch noch aufführen? So dachten jedenfalls die meisten, bis – ja, bis es halt zu besagtem Grillabend des Autorenteams kam. Zwischen Putenbrust und Würstchen wurde die grobe Handlung entworfen, danach bis spät in die Nacht hinein eine Beispielszene erstellt, die auf dem folgenden Literaturtreffen in der Aula vorgestellt wurde. Die Reaktion war durchweg positiv, was für das Autorenteam soviel hieß wie: An die Arbeit, Jungs!

In den darauf folgenden Wochen war also Schreibarbeit angesagt, und das nicht zu knapp. Die Aufführung war sehr früh angesetzt, ergo musste es flott gehen. Man traf sich also mehrmals die Woche, konsumierte tonnenweise ungesundes Süßzeug und brachte die Gehirne auf noch nie da gewesene Kreativitätslevel. Es kam dabei nicht selten vor, dass einer der Autoren dabei erwischt wurde, wie er sich, vor Lachen über seinen eigenen Witz nicht imstande, ein verständliches Wort zu artikulieren, auf dem Boden wälzte. Nach unzähligen schlaflosen Nächten, gefühlten 360.000 Korrekturen durch Frau Schmidt und jeder Menge Schweiß und Motivationslöchern war es schließlich soweit: „Schneewittchen Reloaded“ was ready to rumble!

Jetzt hieß es für den Kurs, auf die Tube zu drücken und den Turbo anzuschalten, denn bis zur Aufführung waren es nur noch 2 Monate. Was sich zuerst viel anhört, ist in Wahrheit sehr, sehr wenig, wie wir alle am eigenen Leib erfahren haben. Nach Einteilung der Rollen ging es los: Kostüme wurden geschneidert, Texte mehr oder weniger schnell verinnerlicht und an den schauspielerischen Leistungen wurde – auch an dem einen oder anderen Samstag – ordentlich gefeilt, was die Regieleitung in Person von Frau Schmidt mehr als einmal an den Rand eines Nervenzusammenbruchs brachte. Der Termin der Aufführung rückte näher und näher, und subjektiv betrachtet schien nichts wirklich reibungslos zu funktionieren, wie es wahrscheinlich immer so ist vor Präsentationen.

Nicht zuletzt der Hilfe von Frau Kahl ist das Ergebnis zu verdanken, da wir in ihr eine Kritikerin hatten, die uns bei sprachlichen Problemen hilfreich zur Seite stand („Endsilben betonen: BlumEn, nicht Blumn“).

Dann endlich war es soweit: Der Abend der Aufführung war gekommen. Hinter der Bühne ging es zu wie vor einer Modenschau á la „Germany’s Next Topmodel“: Halbnackte Zwerge, Könige ohne Krone, Jäger mit Säbel und Stiefmütter in roten Korsetts gaben einander mit vor Schminke strotzenden Gesichtern die Klinke in die Hand. Das bestehende Durcheinander wurde indes durch umherfliegende Ausdrücke wie „Wo ist die Vaseline?“, „Leute, es ist proppevoll! Voll!!“, „Scheisse, wann bin ich dran?“ oder schlicht und einfach „Aaaaaaaahhhh!“ auch nicht gerade positiv beeinflusst. Umso größer war die Erleichterung, als der Vorhang sich hob. Einmal auf der Bühne, verflog die Nervosität (meistens), und das Gefühl, vor einer vor Zuschauern berstenden Aula zu spielen, war einfach unglaublich. Unvergessen bleibt der Augenblick, als Niklas zu uns in die Kabine kam und hysterisch zu schreien anfing: „Leute, sie lachen! Sie lachen!“ Und tatsächlich – fast jeder Gag saß, und die Lachsalven gingen den hinter der Bühne sitzenden Schauspielern runter wie Öl. Die Aufführung war ein voller Erfolg, der schöner nicht hätte sein können!

Man suhlte sich im Applaus, war er doch der Lohn großer Mühen und Anstrengungen im Vorfeld. An dieser Stelle soll nicht unerwähnt bleiben, dass dies neben Frau Schmidt und Frau Kahl ohne die Hilfe von Herrn Vohsdal, der uns große Teile des Bühnenbilds zur Verfügung stellte, wohl nicht möglich gewesen wäre. Vielen Dank!

Bleibt zu sagen, dass das Ganze ein wohl einmaliges Ereignis für uns bleiben wird, und … Moment mal, einmalig? Wie heißt es doch so schön: „Und wenn sie nicht gestorben sind – sitzen sie vielleicht gerade an einer Fortsetzung …“
Ein neues Gesicht brachte frischen Wind: Herr Bähr vom Rheydter Theater bot seine Hilfe an, Frau Schmidt in ihren aufopferungsvollen Bemühungen zu unterstützen. Suboptimal war vor allem, dass unsere Souffleuse Anne Schubring, die ohnehin nicht gerade unter Mangelbeschäftigung litt, noch bei der Generalprobe mehr von Hektors Text aufsagte als er selbst.

Doch die Premiere kam unausweichlich nah und näher: Es herrschte bei der Premiere hinter der Bühne eine subtile angespannte Atmosphäre, nachdem uns unser Hauptdarsteller mit den höchst vertrauenserweckenden und beruhigenden Worten „Ich mach das diese Nacht schon noch!“ gewohnt feinfühlig darauf hingewiesen hatte, dass schlichtweg alles möglich war. Keiner hätte überraschter sein können als die Schauspieler selbst, als nach einer mit glücklicherweise eher unauffälligen Schönheitsfehlern gespickten Aufführung das Publikum dem Kurs und der Leitung durch Standing Ovations huldigte.

Rückblickend können wir nur jedem empfehlen, diesen Kurs zu wählen. Wir würden sofort zu Wiederholungstätern werden! Trotz oder gerade wegen der immens hohen Katastrophendichte hat uns dieses Jahr eine reiche Fülle an unvergesslichen Erfahrungen und Erinnerungen beschert.

Wir möchten an dieser Stelle allen, die uns geholfen haben, von Herzen danken, dass sie uns eine erfolgreiche Premiere ermöglicht haben: Frau Schmidt, Frau Kahl und Herrn Bähr, dem Deutsch-Kunst-Kurs der Stufe 10 für das großartige Bühnenbild sowie Lisa Lenz für das tolle Plakat, dem Technikteam für Ton und Licht, Herrn Fell für Fotos und Hannah von Dahlen für das Filmen der Generalprobe. DANKE!

Generalprobe 15.03.2007

Aufführung 19.03.2007

"... und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee."

Schneewittchen Reloaded

von Elke Hochheimer

Der Titel ist bereits Programm: Nix mehr mit Gebrüder Grimm-Tümelei, nix Walt Disney Zuckerguss, dieses Schneewittchen ist eine höchst vergnügliche Mischung alter und neuer Zutaten und bot den zahlreichen Zuschauern in der übervollen Aula zwei Stunden Entertainment pur.Drei Schüler des Literaturkurses der 12. Jahrgangsstufe, Marius Hoffmann, Andreas Menne und Michael Rainer, haben in liebevoller Arbeit den Text geschrieben und ein Stück geschaffen, in dem jeder Gag saß. Diese drei und die anderen 24 Schülerinnen und Schüler des Kurses haben ihr Schauspiel unter der Regie von Frau Miriam Schmidt am 16.3. uraufgeführt und ernteten verdienten tosenden Beifall dafür.

Schneewittchen (Svenja Rahner) ist umgeben von lauter Rettern. Da schüttelt als Running Gag der Prinz Theodor von Tapferstein zu Tale von Tollkühnhausen (Tobias Link) immer wieder seine schönen (echten!) Locken, weil er wieder mal seinen Einsatz als professioneller Prinzessinnen-Retter verpasst hat, und Andreas Menne als spanischer Gestiefelter Kater Juanes Ramon strapaziert seine Stimme für einen sonoren spanischen Akzent, um als echter „Latin Lover“ seine Verführungskünste aufzubringen, das arme Schneewittchen immer tiefer in den Wald und in mehr Schwierigkeiten zu bringen. Herrlich der Widerspruch zwischen seinen großen Sprüchen einerseits und seiner Feigheit und mangelndem Überblick andererseits.

Die sechs Öko-Zwerge (der siebte ist in Urlaub und taucht erst am Schluss auf, zum Rapper „Sixty Cent“ mutiert ) ziehen ein mit dem Sprechmarsch amerikanischer Soldaten (natürlich auf ihre biologisch-dynamische Arbeit im Wald gedichtet). Jeder Zwerg ist individuell witzig typisiert, ihr Zusammenspiel sorgt für etliche Lacher: Oberzwerg Walter (Fabian Vits) als rheinische Frohnatur, der Lispel-Zwerg (Michael Rainer), der ständig den Stotter-Zwerg (Thorben Frings) wegen seiner Sprachstörungen anmacht, wozu Johannes (Niklas Kleef), kurz „Jo“, stets sein „Jo“ beisteuert.

Diesen mehr oder weniger Guten steht die böse Stiefmutter entgegen. Die Schwierigkeit der hexenhaften Verwandlung im Verlauf des Stückes wurde elegant umgangen durch die Besetzung der Rolle mit zwei Schauspielern. Felice Kremer ganz in Rot, als Vamp im Mieder mit schulterlangen Handschuhen, mordet alle, die ihr ihr Spiegel als schöner als sie meldet. Sie kann auf gleich drei Spiegel (Annika Stuwe, Daniela Vosdahl, Sara Müller), mit verschiedenen Charakteren und unterschiedlichen intellektuellen Kapazitäten, zurückgreifen. Gut die Idee, die Spiegel in immer gleichen charakteristischen Posen, als schwarzgekleidete, silbern geschminkte Schauspieler mit umgeschlungen Rahmen zu präsentieren. Ihre Vorschläge bringen die Handlung immer wieder weiter. Bernadette Bähr geht dann als verwandelte Königin in Abendkleid und Kopftuch in den Wald, um Schneewittchen umzubringen.

Einer der Höhepunkte ist die Werbeeinblendung „aus dem Gymga-Kochstudio“, um die Todesszene von Schneewittchen zu unterbrechen. Perfekt in Wortwahl und Ton den nächtlichen Shopping-Sendern abgeguckt, präsentieren Tom (Marius Hoffmann) und Koch Toni (Michael Rainer) das Super-Sonder-Angebot, einen vergifteten Apfel mit der erstaunlichen Besonderheit eines Stängels, der den Apfel immer in der richtigen Lage auspendelt! Ideal, um den Nachbarn schnell zu vergiften, besonders günstig, da nur heute zwei zum selben Preis, und dazu nur heute umsonst das praktische Körbchen und die passende Luxus-Serviette!

Der Begleiter (Tobias Hurtmann) des wieder aus dem Urlaub aufgetauchten siebten Zwerges wird zum letztendlichen Retter von Schneewittchen, wird ihr „bodenständiger Held“. Für die beiden arrangieren die Zwerge, unter Zuhilfenahme des aus dem Schuppen requirierten Märchenhandbuches, ein Happy End. Die letzte Szene zeigt sie als Mutter jener Mädchen, denen der Opa (Sebastian Hren) als Rahmenhandlung die wahre Geschichte von Schneewittchen erzählt, als biedere, glückliche Hausfrau.

Es macht Spaß, die vielen Motive und Zitate wiederzuerkennen. Neben den vielen Märchenmotiven scheint Kater Juanes Ramon von „Shrek“ inspiriert, Werbung ,Teleshopping – die Verfasser haben ganz unterschiedliche Quellen zu einer wunderbaren Mischung zusammengebracht; sie brauchen sich nicht hinter professionelleren Comedy-Schreibern zu verstecken. Die Schauspieler haben alles überzeugend auf die Bühne gestellt, sie agierten rollengemäß und mit erkennbarem Spaß, die Kostüme in ihrer Mischung aus Abendgarderobe und Zirkuskleidung passten hervorragend, auch das Bühnenbild war zwar sparsam, aber geschickt verwendet (z.B. lange grüne Stoffbahnen als Wald).

Der Abend hat einfach Spaß gemacht.